„Pipikackapopo!“, schimpfte genüsslich ein Dreijähriger in der Bahn, der mir gegenüber auf dem Schoß seiner Mutter saß. Die, sehr gelassen, sagte nur milde: „Schau mal, da draußen die Pferdchen auf der Wiese!“ Der Kleine war sofort abgelenkt und konzentrierte sich auf die Tiere in der Ferne und ich war… beeindruckt.
Diese Szene spielte sich nämlich ab lange bevor ich selber Kinder hatte. Während ich beobachtete, staunte und dachte „Wie kann man nur so cool bleiben, wenn das eigene Kind so flucht?“ formierte sich in meinem Kopf der Vorsatz, sowas den eigenen Kindern sicherlich niemals durchgehen zu lassen.
Heute bin ich Mutter von Dreien, weit länger als zehn Jahre schon und ich weiß: diese Mutter war die Meisterin. Sie war längst an einem Punkt angelangt, den zu erreichen mich mehrere Jahre Lebenszeit gekostet hat und in dem ich öfter Pipikackapopo gehört habe, als ich mir zuvor jemals hätte träumen lassen. Denn es ist mal so: Für Kinder haben Kraftausdrücke und saftige Flüche eine ungeheure Faszination. Sie machen nicht nur Spaß beim Aussprechen (die meisten Kraftausdrücke sind richtig knackige Wörter, die schön laut „knallen“, wenn man sie mit Schmackes raushaut), sondern sie haben auch eine unglaubliche Wirkung auf alle Erwachsenen rundherum: sie lachen, schimpfen, gucken empört, kommentieren, was man sagt und machen jedes ausgesprochene Schimpfwort zum Event, denn – sie reagieren auf jeden Fall.
So viel Erfolg hat man als Kind längst nicht mit jedem neugelernten Wort oder neuen Vokabel, die man anbringt. So ein inbrünstig gebrülltes „Du Kackwurst!“ setzt da schon Maßstäbe. Wie aber geht man als Eltern damit um, wenn die Kinder ins Alter der Schimpfwörter und Flüche kommen?
Man sollte nie vergessen, dass alles, was verboten ist, den Kindern gerade Spaß macht. Sie dürfen nichts Süßes essen? Sie werden alle Energie daran setzen, an Süßigkeiten zu kommen, wenn man selbst nicht dabei ist. Sie dürfen kein Fernsehen? Sie werden garantiert die Nähe der Kinder suchen, die es dürfen und dafür sorgen, dass sie zumindest für eine Weile schauen können, bevor das Komplott auffliegt. Und genauso ist es mit den Tabuwörtern.
Je öfter ich meinen Kindern gesagt habe: „Ich möchte nicht, dass ihr flucht. Lasst das bitte sein!“, umso inbrünstiger kamen die deftigsten Fäkalvokabeln aus den unschuldigen Kindermündern. „Kacka!“, war da noch bei den harmlosen Varianten. Also habe ich mich darin geübt, die Ohren auf Durchzug zu stellen, wenn die Kinder in den Taumel der verbotenen Wörter gerieten. Das funktioniert natürlich nur für einen begrenzten Zeitraum.
Was ganz gut funktionierte: wenn die Kinder mal wieder in den Flow der Tabuwörter kamen, habe ich eine Fluchzeit ausgerufen. „Ich möchte diese ganzen Wörter nicht hören, aber wenn ihr sie unbedingt sagen müsst, dann habt ihr jetzt eine Minute Zeit dafür. Ihr dürft so viele Flüche und Schimpfwörter sagen, wie euch einfallen und so laut ihr wollt. Die Zeit läuft!“
Das Gute daran war, die Kinder konnten sich verbal abreagieren und sich austoben und hatten danach erstmal genug vom Fluchen. Das Schlechte: sie kamen dadurch erst so richtig in Fahrt, dachten sich neue Schimpfwörter aus und fragten bald danach, wann sie mal wieder ihre „Schimpfwortminute“ haben könnten und freuten sich regelrecht aufs Fluchen.
Die ständigen Fäkalausfälle und Fluchattacken gingen mir gegen den Strich. Sie nervten und ich wollte nicht, dass meine Kinder sich in diesen uralten Schimpfwörtern übten und als die Fluchminute täglich mehrfach eingefordert wurde und ich definitiv täglich viel zu oft die Kackavokabeln um die Ohren kriegte, sprach ich ein Machtwort: die Schimpfworte mussten selbst ausgedacht sein und es durften keine „Klowörter“ darin vorkommen.
Von da an wurde es kreativ, lustig und abwechslungsreich. Und – die Faszination der Flucherei ließ nach. Wer jetzt allerdings denkt, damit sei das Problem aus der Welt gewesen, irrt sich leider. Noch immer fluchen meine Kinder genussvoll mit klassischen Fäkalvokabeln und knackigen Schimpfwörtern, aber es findet bei weitem nicht mehr täglich statt. Und sie halten sich zumindest in meiner Hörweite an die Regeln: keine Klowörter!
Dass sie ab und an fluchen, wenn sie wütend sind, damit muss ich wohl leben. Darin sind sie wie alle Kinder, die ich kenne – einfach menschlich.