Meine Tochter ist eine Prinzessin. Ich weiß nicht, wie das kommt, aber dieses Kind kommt mir vor, als sei es bereits in einer rosa Plüschwolke zur Welt gekommen und hätte sich seitdem eine Schicht Glitzer nach der anderen zugelegt. Vielleicht liegt es an der Anwesenheit der großen Schwester (die allerdings kein bisschen rosa mehr an und um sich haben möchte!) und dem damit verbundenen freien Zugang zu Kisten voller abgelegter Prinzessinnenbarbies und ihren Kleidern, Verkleidesets für alles von Dornröschen bis Schneewittchen und jeder Menge Nagellackfläschchen in allen Farben. So ein Spektrum stand der Großen in diesem zarten Alter jedenfalls nicht zur Verfügung, und ich denke oft, dass die Kleine ihre Vorlieben dort entwickelt.
Wenn es nämlich daran geht, sich selbst anzuziehen, wird es schwierig. Und das schon lange. Bereits mit zwei Jahren konnte das Fräulein mir deutlich machen, dass Jeans mit Flicken auf den Knien für sie nicht in Frage kommen, auch nicht, wenn es nur um den Besuch der garteneigenen Buddelkiste ging. Nein, es möchten bitte immer, IMMER Röckchen sein. Oder noch lieber: Kleider.
Wenn ich dieses Kind seine Klamotten komplett selbst aussuchen lassen würde, dann käme ein fleischgewordener Alptraum in rosa Rüschen dabei heraus, gespickt mit pinken Pailletten, pastellrosa Federchen und Glitzer in den Haaren. Mal abgesehen davon, dass es da zwischen meiner kleinen Tochter und mir einen tiefe Kluft gibt, wenn es um Stilfragen geht, gibt es ja aber auch noch andere Aspekte, die ein Outfit für eine Dreijährige in meinen Augen erfüllen sollte: ich vertrete zum Beispiel die Ansicht, dass Hosen und Röcke für Kleinkinder gerne über die Hüfte reichen dürfen und dafür geeignet sei sollten, Bauch und Nieren zu bedecken. Warum ein Kleinkind Lowcut Jeans tragen sollte, um dann mit nackiger Mitte im Sandkasten zu sitzen, wird mir ewig schleierhaft bleiben. Außerdem ist bei starkem Schneefall eine zarte Strumpfhose mit Blumenprint und dazu ein ärmelloses Kleid mit Schleppe in meinen Augen nicht wirklich eine kluge Wahl. Das sieht mein Töchterlein allerdings ganz anders.
Und so kam es allmorgendlich zu folgender Szene: wir kommen aus dem Bad, wo wir schon Zähne geputzt, uns gewaschen und im Idealfall die Haare gekämmt haben und treffen uns vor ihrem Kleiderschrank. Soweit so gut. Sobald sich dessen Tür aber öffnet und ich wetterangemessene, nicht pinke Kleidungsstücke herausnehme, die möglicherweise sogar KEIN Rock oder kein Kleid sind, geraten wir in die erste ernsthafte Krise des Tages. Mein Kind diskutiert leidenschaftlich gern und wenn es um ihre Autonomie bezüglich der Klamottenauswahl geht, ist sie besonders ausdauernd. Das geht gerne auch mal mit Tränen und anderen Gefühlsausbrüchen einher. Also stehe ich bereits morgens um kurz vor sieben in meinem eigenen Haus und fühle mich wie eine Rabenmutter, weil ich meinem Kind keine lila Söckchen mit Silberrüsche zu rosaTüllrock und goldener Flatterbluse gestatte – bei 3° und Regen. Aber mit Vernunft kann ich diesem Kind nicht kommen, denn es ist ja nun mal eine Prinzessin und Prinzessinnen „Haben! Immer! Ein! Schönes! Kleidschen! An! Mama! Rabäääh!“
Aber ich bleibe hart. Es kommt nicht in Frage, dass die Prinzessin kostümiert wie die Königin der Glitzerfeen das Haus gen Kindergarten verlässt und sich zu allem Überfluss dabei auch noch verkühlt. Denn das genau wird ja passieren, wenn ich sei machen lasse. Aber was tun? Die täglichen Diskussionen machen genauso wenig Spaß und wir mögen es beide nicht, wenn wir dann zehn Minuten später schlecht gelaunt wegen einer Auseinandersetzung am Frühstückstisch sitzen und so in den Tag gehen.
Wir sind aber schlau, die Prinzessin und ich. Ich lasse ihr die rosa Einhornarien bei Nacht- und Unterwäsche. Auch die Socken dürfen gerne Glitzerränder haben oder mit Krone tragenden Kätzchen bedruckt sein. Aber über das Obendrüber entscheide ich – und das Wetter hat das letzte Wort. Die neue Regel sagt außerdem, dass wir abends vorher das Outfit für den nächsten Tag aussuchen. Gemeinsam. Die Prinzessin wünscht sich ein rosa Oberteil mit „was ssick Glitzerndem drauf, Mama“? Geht klar, aber unten gibt’s vernünftig geschnittene Jeans, die auch den Ausflug auf den Spielplatz bei leichtem Nieselregen und mit Matschgarantie mitmachen. Das funktioniert ganz gut.
Und wenn die Prinzessin aus dem Kindergarten zurück kommt, darf sie die Jeans gegen ein Tüllröckchen eintauschen, sich ihre Feenflügel umschnallen und in einer Glitzerwolke durchs Haus flattern. Und ich setze mich derweil mit einem Kaffee in die Ecke und schaue ihr beim Zaubern zu.