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Katharina Martin
Lesedauer 4 Min
31. Januar 2018

Ferienkinder: die saisonale Herausforderung für die einfallsreiche Mutter

Ferien, endlich! Wie wir uns immer alle freuen, dem Alltag entfliehen zu können! Was wir uns alles ausmalen, was wir tun würden und wie wir es jedes Mal kaum erwarten können, endlich in den Tag hinein leben und tun und lassen zu können, was uns gerade einfällt! Ich stelle mir dann immer vor, wie die Kinder gut gelaunt und ausgeschlafen ihre eigenen Ideen verfolgen davon, was sie gerne tun möchten. Wie sie ausgeschlafen und in völliger Harmonie miteinander den diversen Tätigkeiten nachgehen. Und wie ich, ebenfalls in völliger Harmonie mit mir selbst und dem Leben, mit viel Zeit und Ruhe zum Arbeiten und zu den Alltagsdingen komme. Schließlich muss ich nicht wie eine wildgewordene Springspinne die Kinder ständig irgendwo abholen, sie hinbringen, den Alltag organisieren und dafür sorgen, dass sie zu vernünftigen Zeiten gesund abgefüttert ins Bett gehen. Zähne geputzt und Hausaufgaben gemacht, selbstverständlich. Ich sehne also die Ferien herbei und feiere munter mit den Kindern den letzten Schultag, bis…

… ja, bis für mich die Realität zuschlägt, spätestens an Tag 3 der herbei gesehnten Ferien. Die Kinder sind tatsächlich ausgeschlafen, sie sind quasi randvoll mit Energie. Nur leider müssen sie weder zur Schule, noch findet sonst irgend eine Aktivität statt wie Sport oder Bandprobe oder Klavierunterricht, so dass ihre gut aufgefüllten Batterien bis tief in die Nacht hinein reichen. Und weil sie sonst nichts zu tun haben und viel lieber „faulenzen wollen, Mama!“ als sich etwas einfallen zu lassen, investieren sie diese Energie beispielsweise in ausführliches Gezänk. Dabei sind sie wirklich erfindungsreich, so dass Zankereien entstehen, die manchmal sogar die Nacht überdauern und am nächsten Morgen bequem wieder aufgenommen werden können. Praktisch veranlagt sind sie, diese Ferienkinder.

Ebenso einfallsreich sind sie, wenn es um Störmanöver ihrer im Homeoffice arbeitenden Mutter geht. Das Gezänk ist dabei nur ein Faktor, der zum Stören taugt. Wir hätten da noch plötzlich drohenden Hungertod im Angebot, wichtige Fragen nach der Nagellackfarbe für zehn verschieden gestaltete Fußnägel, Nicht-Kenntnis des aktuellen Wlan-Passwortes und ein daran gekoppelter drohender Nervenzusammenbruch, irgend was, was furchtber „gemeiiiiin!“ ist, laute Musik, jeweils eine andere Musikrichtung pro Zimmer, Fangespielen quer durchs Haus, Schwertkämpfe auf dem Balkon und lautstarke Telefonate hinter verriegelter Badezimmertür, während sich die Geschwister vor der verschlossenen Türe fast in die Hosen machen, statt eine der anderen Toiletten zu benutzen.

Diese Kinder sind unerschöpfliche Quellen für Ferienwahnsinn und ich bin ihr leichtes Opfer, denn ich leide an einer Art Ferienamnesie und lasse mir immer wieder von meinen Fantasien über die harmonisch-entspannten Ferientage mit meinen lieben Kindern zu Hause meine Erinnerungen weichzeichnen. Und dann sitze ich da, an Tag 3 und mir wird wieder mal schlagartig klar, was ich aus den letzten Ferien nicht nachhaltig abgespeichert hatte: diese Kinder sind voller Energie, sie sind voller irrer Einfälle und sie haben keinerlei Interesse an Ruhe, Harmonie und meiner geistigen Ausgewogenheit.

Ich muss also, zumindest phasenweise, einen Haken an mein Homeoffice machen und mich darauf einlassen, ein Programm für die Kinder zu erstellen, damit sie mich nicht vollends in den Wahnsinn treiben. Und weil ich ebenfalls einfallsreich bin (und manchmal auch ein bisschen rachsüchtig), besteht das Programm zunächst mal nicht aus Zoobesuchen oder Ausflügen, sondern aus anderen Beschäftigungen. Ich lasse die Kinder ihre Zimmer aufräumen und die Regale ausmisten. Das Protestgeschrei, das sich dann erhebt, ist auch nicht lauter, als der Terror, der mich vorher vom Arbeiten abgehalten hat, aber dafür passiert dabei immerhin etwas Produktives. Als Nächstes erstelle ich mit ihnen einen Plan, was es wann zu essen geben soll und schicke ich sie mit der entsprechenden Liste zum Einkaufen. Die plötzliche Erkenntnis, dass sie jetzt zu dritt dafür zuständig sind, ob und was sie essen werden, bindet zumindest einen Teil der übersprudelnden Energie sinnvoll. Und natürlich dürfen sie sich eine Süßigkeit zum Nachtisch mitbringen, ich bin ja keine Sadistin.

Dann wird gekocht: ich gebe Hinweise, die Kinder machen. Das geht erstaunlich leicht und schmeckt ziemlich gut und die Kinder sind hinterher satt und zufrieden mit sich. Aber jetzt ist erst der halbe Tag vorbei und das Essen hat die Batterien wieder aufgetankt, also brauche ich für die zweite Tageshälfte einen weiteren Einfall. Wir packen Obst und Kekse in einen Rucksack und ich schicke die Kinder auf den nahen Spielplatz. Sie haben eineinhalb Stunden Zeit zum Spielen und für ein Picknick – und ein Handy dabei für den Notfall. Der tritt aber gar nicht ein, stattdessen habe ich plötzlich ein einigermaßen aufgeräumtes, leeres Haus und eine Stunde Zeit für meine Arbeit. Luxus!

Pünktlich kommen die Kinder zurück, mit leergefuttertem Rucksack, dreckigen Hosen und glücklichen Gesichtern. Plötzlich kommt ein bisschen von der Ferienstimmung auf, die ich vorher herbei fantasiert hatte: wir sitzen einigermaßen ruhig zusammen, trinken Tee und reden. Und nach der vielen gemeinsamen Zeit hat dann jedes Kind auf einmal Lust aufs Für-sich-Sein und zieht sich ein bisschen zum Lesen, Malen, Puzzles machen zurück. Ich merke, wie sich bei mir so etwas wie Ausgeglichenheit einstellt und ich ganz zufrieden auf den Tag zurück blicke – da fällt mein Blick auf den Kalender. Das war erst Tag 3! Was mache ich morgen?! Und was an den restlichen 11 Tagen?