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Katharina Martin
Lesedauer 4 Min
31. Januar 2018

Geschwisterliebe – bei großem Altersabstand

Zwischen mir und meiner kleinen Schwester liegen neun Jahre. Heutzutage, wo wir beide erwachsen sind und unsere eigenen Familien haben, spielt das längst keine Rolle mehr – und der Geschwisterliebe tat es nie einen Abbruch.

als wir Kinder waren…

…ich schon mit einem Fuß auf dem Gymnasium und sie gerade beim Sprechenlernen, da war das ein gigantischer Altersabstand. Ich erinnere mich gut, als sie geboren wurde: Ich war glücklich, dass ein Baby im Haus war, ein Baby für mich, ein Baby, das in meinen Augen auch dazu bestimmt war, ein Baby zu bleiben! Für meine Schwester ein hartes Los (zumal da noch ein Bruder in der Mitte ist, der ebenfalls viel größer war, als sie), mit dem sie ihre ganze Kindheit hindurch kämpfte.

Bei meinen Kindern sehe ich Ähnliches. Das große Mädchen hat sechs Jahre Vorsprung auf die Kleine und betrachtete sie ein wenig als ihr Eigentum. Eine spezielle Art der Geschwisterliebe. Schon als die Kleine neugeboren war, hätschelte sie sie und hätte sie am liebsten auch noch selbst gestillt, wenn das gegangen wäre. Bei jeder passenden Gelegenheit nahm sie sie an sich, schob sie im Wagen, trug sie herum und wollte darüber bestimmen, was das Baby anzog und welches Kuscheltier in der Wiege zu liegen hatte. Bis heute leitet sich daraus ein gewisser Trend zur Bevormundung der kleinen Schwester ab, gegen den diese sich mühsam wehrt, obwohl die beiden inzwischen acht und vierzehn Jahre alt sind.

Geschwisterliebe: von groß nach klein

Der Blick auf ein wesentlich jüngeres Geschwisterteil aus Sicht eines viel älteren, ist immer ein wenig besitzergreifend. Geschwisterliebe bedeutet hier auch Inbesitznahme und Bevormundung. Da ich selbst eine viel ältere Schwester bin, erkenne ich diese Verhaltensmuster bei meinen Kinder sehr leicht wieder. Man sieht, wie die Große über die Kleine bestimmen will, sie überreden und ihr ihren Willen aufzwingen will. Natürlich ist das etwas Typisches zwischen Geschwistern, aber das Machtgefälle wird mit zunehmendem Altersabstand immer größer.

Für mich als Mutter bedeutet das einerseits, dass ich besonders gut darauf schaue, dass die Kleine gegenüber der Großen auch zu ihrem Recht kommt. Aber auf der anderen Seite weiß ich auch aus eigener Erfahrung, dass das eine Phase ist, die zwar wichtig, aber nicht alles entscheidend ist für die Geschwisterliebe zwischen diesen beiden. Das Erwachsenwerden bringt automatisch eine gewisse Emanzipation voneinander mit sich und wird auch beim Machtgefälle zwischen Geschwistern mit großem Altersabstand sehr viel automatisch regeln.

Geschwisterliebe: von klein nach groß

Für die Kleine ist es anders. Die große Schwester ist die Tollste und zugleich die Schrecklichste auf der Welt! Alles, was sie tut, will die Kleine auch tun. Alles, was sie erreicht, wird zum Ziel für die Kleine und es gibt keinen wichtigeren, heiligeren Ort als das Zimmer der Großen. Vorzugsweise, wenn diese nicht da ist. Die Identifizierung mit der Großen ist aber genauso wichtig, wie die Abgrenzung von ihr, denn natürlich hat die Kleine ihre eigene Persönlichkeit und braucht Platz, Raum und Zeit, um sie zu entfalten. Dabei kann die große, übermächtige Schwester schon sehr störend sein. Wenn die Kleine nicht selbst ein ausgeprägtes Temperament und auch genügend andere vertraute Personen zur Identifikation hat, wird es da vielleicht schwierig.

Bei meinen Töchtern mache ich mir in diesem Punkt allerdings nicht wirklich Sorgen: die Kleine ist sehr charakterstark und hat einen klaren, eigenen Willen. Sie kann sich gut gegen die Große wehren und sich auch durchsetzen, wenn es sein muss. Aber das kleine Schwester-Dasein hat auch Vorteile. Denn natürlich ist die Kleine immer die Süße, Niedliche, um die sich gekümmert und der viel abgenommen wird. Besonders von der großen Schwester. Das ist der schöne und bequeme Aspekt der Geschwisterliebe bei großem Altersabstand. Auch bei Auseinandersetzungen mit mir oder dem Papa und bei aufregenden Situationen wie dem Weg in die neue Schule, taugt die Große als Beschützerin und Hilfestellung. Da ist es für die Kleine natürlich tausendmal bequemer als für die Große, die in derselben Situation entsprechend alleine klarkommen musste.

Geschwisterliebe bei großem Altersabstand

Altersunterschied – kein Problem

Beim konkreten Thema Geschwisterliebe zwischen Geschwistern mit großem Altersabstand, gibt es meiner Meinung nach keinen Anlass zur Sorge. Ob die Bindung stark oder schwächer ist, ob sie ein Leben lang hält oder irgendwann kompliziert wird, hängt nicht so sehr vom Altersabstand ab wie von vielen anderen Faktoren und davon, wie die individuellen Leben sich so entwickeln.

Meine Kinder lieben sich alle drei gegenseitig, die Geschwisterliebe zwischen ihnen ist stark. Für meine Geschwister und mich gilt dasselbe. Ich führe das darauf zurück, dass wir jeweils in Familien aufgewachsen sind, in denen die Bindung zwischen Brüdern und Schwestern gefördert wurde. Ich gebe meinen Kindern Raum für ihre individuellen Beziehungen zueinander, so wie ich diesen Raum als Kind selbst bekommen habe. Und ich sehe, wie sie ihre Bindung ausleben, festigen und verändern, je nach Alter und Entwicklungsphase. Und ich habe großes Vertrauen in die Haltbarkeit dieser Bindungen. In diese Geschwisterliebe – egal, wie der Altersabstand zwischen ihnen jeweils ist.

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