Fast lautlos gleitet der braune Holzkahn durch das seichte Gewässer, vorbei an Wiesen und Äckern, Waldstücken und Gehöften. Nur hin und wieder ist ein knirschendes Geräusch zu hören, wenn der Fährmann mit seiner langen Eschenholzstange in den sandigen Boden stößt, um den Kahn fortzubewegen. Die Stange heißt Rudel und ist vier Meter lang lernen die Gäste an Bord später. Und auch, das der Fährmann, der wie ein venezianischer Gondoliere am Heck des Kahns steht, nicht rudert oder paddelt sondern stakt. Doch erstmal blinzeln sie von ihren bequemen Holzbänken der wärmenden Morgensonne entgegen und bestaunen eine Landschaft, wie sie in Europa einmalig ist: den Spreewald.
Die letzte Eiszeit war schuld. Vor etwa 20.000 Jahren schwemmte ihr Schmelzwasser riesige Sandmassen an, die den Verlauf der Spree in neue Bahnen lenkten. Aus dem Fluss wurde ein feingliedriges System aus Wasseradern, der Spreewald war geboren. Rund 475 Quadratkilometer misst das Gebiet um die Hauptorte Lübben, Lübbenau und Burg heute.
Leben am Wasser Die Fließe der Spree bestimmen auch den Alltag im Lagunendorf Lehde. Erst seit 1925 gibt es eine Straße, die von Lübbenau in den Ortskern führt. Bis dahin war Lehde ausschließlich über das Wasser zu erreichen und auch heute sind noch viele der Bauerhöfe vom Landweg abgeschnitten. Morgens, wenn die ersten Besucher mit den Ausflugsbooten den Ort erreichen, ist auch die Post unterwegs. Ein schwarzer Kahn, eine Briefträgerin mit gelbem Posthorn-T-Shirt, zu ihren Füßen gelbe Kisten mit Briefen und Päckchen. Von Hof zu Hof stakt sie durch das Dorf, hält ein Schwätzchen hier und dort und verteilt die Fracht. Stadtreinigung und Feuerwehr kommen ebenfalls per Boot. Der Kahn ist ein unverzichtbares Transportmittel, nicht nur für Touristen.
Auch die Kühe kommen so auf die Weide. Dazu werden zwei Boote an ihrer Längsseite zusammengezurrt, ein Holzgatter darauf gestellt und die Tiere verladen. Mit ein etwas Glück bekommt man den ungewöhnlichen Viehtransport vor die Kamera. Oder jemanden, der per Kahn das frisch geerntete Ost und Gemüse nach Hause bringt. Leben könne von der Landwirtschaft jedoch nur noch ein einziger Bauer im Dorf, erzählt einer der Fährmänner. Alle anderen hätten sich ein zweites Standbein im Tourismus gesucht, vermieteten Zimmer, seien in der Gastronomie tätig oder böten Kahnfahrten an. Den jährlich rund vier Millionen Besuchern, die erleben möchten, wie der Mensch sich das schwer zugängliche Sumpfgebiet erschlossen hat, kommt das zugute.