Ich erinnere mich an meine Großmütter unterschiedlich gut. Meine mütterliche Großmutter sah ich fast jedes Wochenende. Sie wohnte nicht weit von uns weg und ich verbrachte regelmäßig Zeit mit und bei ihr. Ich habe Erinnerungen an gemeinsame Unternehmungen, an ihren Geruch und an das typische „Oma-Essen“, wenn wir zu Besuch kamen. Meine väterliche Großmutter dagegen sah ich nur einmal im Jahr, manchmal auch seltener. Sie lebte in den USA und kam, je älter sie wurde, desto seltener zu Besuch. Dafür waren ihre Besuche immer besondere Highlights. Sie war so anders als alle anderen Menschen die ich kannte, dass ich stets sehr fasziniert war.
Beide Großmütter waren mir auf sehr verschiedene Arten wichtig und ich hatte meine ganz speziellen Beziehungen zu jeder dieser Omas. Die eine war die Präsenzoma, zu der ich in den Ferien ging, wo ich übernachtete und wo ich mich auskannte. Hier war ich auf eine Art auch zu Hause. Die andere war die Exotenoma, die eine andere Sprache sprach, deren Leben ich nur aus Geschichten kannte, weil ich selbst erstmalig mit fünfzehn zu ihr zu Besuch fuhr. Die, die sich so anders benahm, als alle Omas, die ich kannte. Eine ganz andere Beziehung, aber wahrscheinlich gleich wichtig.
Und heute? Sehe ich meine Kinder in ihren Beziehungen zu ihren Großmüttern und die Erinnerungen an meine Omas sind wieder ganz nah. Ich bin froh, dass ich mich erinnere, weil das bedeutet, dass ich viel besser verstehe, wie es meinen Kindern mit ihren Großmüttern geht. Wie wichtig diese Beziehungen sind und wie wenig sie mit mir zu tun haben.
Denn wenn ich ehrlich bin, ist diese enge Bindung meiner Kinder an eine dritte Person, selbst wenn sie mir so nahe steht wie meine Schwiegermutter oder meine Stiefmutter nicht so leicht mit anzusehen. Ich sehe, wie sie es genießen, dass die Omas sie verwöhnen. Dass sie nie schimpfen und die Großzügigkeit in Person sind, dass sie immer Platz für sie haben und immer ein Licht für sie anlassen. Manchmal bin ich neidisch auf diese Schokoladenseite im Umgang mit den Kindern.
Aber dann fällt mir wieder ein, wie es mit meinen geliebten Omis war. Und dann gönne ich ihnen alles! Ihre eigene, ganz individuelle Beziehung zu ihren Omas, die gemeinsame Zeit, die Exklusivität und auch die ganzen Verwöhnereien. Denn ich weiß, diese Person ist wichtig für meine Kinder. Sie gibt ihnen etwas, das ich nicht geben kann, weil ich nun mal die Mama bin und Erziehungsarbeit leisten muss. Indem sie ihnen von früher erzählt, gibt sie ihnen verlängerte Wurzeln. Sie gibt ihnen Einblicke in mein Leben (oder das meines Mannes, im Fall meiner Schwiegermutter) und sie teilt mit ihnen eine ganz eigene Welt, in der nur Platz für diese beiden Menschen ist: das Enkelkind und die Oma.
Und wenn ich daran denke, wie kurz diese Oma-Enkelkind-Zeit manchmal sein kann… dann vermisse ich meine Omis alle beide und erfreue mich an der großen Liebe zwischen meinen Kindern und ihren Großmüttern. Denn es kann gar nicht genug Menschen geben, die diese Kinder lieben und ihnen Sicherheit und einen Platz in ihrem Herzen schenken.