Kinderzimmer sind wahre Schatzkammern. Was man darin alles findet und in welchen Kombinationen die unwahrscheinlichsten Dinge eine Art Ursuppe der Unordnung bilden, ist preisverdächtig. Und wer einmal das Kinderzimmer eines Neunjährigen aufgeräumt hat weiß, das sind in Wirklichkeit gar keine Kinder, es sind Meisterinnen und Meister des Chaos!
Soweit, so alltäglich. Aber was tut man mit diesen Räumen, die gefüllt sind mit Schubladen und Kisten, die wiederum gefüllt sind mit einer undurchdringlichen Masse aus Kleinstteilen, die wiederum aus Einzelteilen bestehen? Der Befehl „Räum dein Zimmer auf!“ verklingt ohne Effekt, stattdessen erhebt die grausige Masse des Chaos ihr Haupt und ihr höhnisches Lachen erklingt. Was tun?
Nach drei Kindern, die in solchen Kammern des Schreckens hausen, kann ich nur sagen, dass ich nach wie vor nicht begreife, wie trotz aller Interventionsversuche meinerseits diese Masse entsteht, die sich scheinbar selbständig in den Zimmern ausdehnt und sie verstopft. Aber ich habe mir immerhin im Laufe der Jahre ein paar Überlebensstrategien zurechtgelegt, die ich gerne mit allen verzweifelten Eltern hier teile.
1. Nicht schreien. Immer die Nerven behalten.
Das ist sowas wie die wichtigste Grundregel für Eltern: wer die Nerven verliert, verliert. Wir mögen das Chaos nicht begreifen, aber wir dürfen uns ihm gegenüber niemals, unter keinen Umständen, hilflos zeigen. Das füttert das Chaos nur und während wir dabei sind, tobend unseren chaotischen Nachwuchs auszuschimpfen, entsteht irgendwo in einer Schublade eine neue unselige Verbindung zwischen Barbieschuhe, Papierfetzchen und altem Kaugummi. Wir müssen unter allen Umständen gelassen bleiben und dem Chaos mit offenem Visier entgegentreten.
2. Pokerface
Offenes Visier schön und gut, aber wir brauchen neben der Kontrolle über unsere Stimmbänder auch einen unbeirrten Gesichtsausdruck. Keine Angst zeigen und niemals weinen! Das Pokerface rettet uns immer über die ersten Schocksekunden hinweg, wenn wir wieder eine neue Schachtel geöffnet haben oder wenn der Worst Case eintritt: die vergessene Brotdose im Schulranzen am Ende der Ferien.
3. Heimlich-Aktion
Alle Eltern von Kindergarten- und Schulkindern kennen sie: die Heimlich-Aktion. Nichts ist schlimmer, als wenn das Kind in einem Karton voller Unrat, den man einfach nur in den Müll ausleeren möchte, ein angebliches „Lieblingsteil“ entdeckt und es kreischend herauskramt. „Nein, das will ich behalten, das hab ich schon ewig überall gesucht!“ Jaaa, das glaub ich dir sofort, dass du das ewig gesucht hast, Hase! Das war auch bis vor 3 Sekunden quasi unsichtbar in der Masse des Mülls! Wenn ein Kind erstmal ein Teil herausgezogen hat, findet es auch noch mehr und die Diskussion um altes kaputtes Plastikspielzeug, dass einst auf einer billigen Kinderzeitschrift als Goodie klebte, geht los. Um das zu vermeiden, brauchen wir die Heimlich-Aktion: wenn die Kinder aus dem Haus sind, nähern wir uns der Chaosmasse mit einem großen Müllsack, werfen uns auf sie, leeren sie in den Müllsack und verschließen ihn fest! Und dann schnell weg damit, am besten zur Entsorgung in eine ferne Mülltonne, damit nichts auch nur zufällig wieder auftauchen kann!
4. Verhandlungsmasse
Manche Aufräumaktionen müssen allerdings mit den Meistern des Chaos gemeinsam durchgeführt werden, es hilft nichts. Dafür ist es gut, wenn wir ihnen ein bisschen Futter geben und ihnen die Illusion lassen, sie hätten die Macht darüber, was bleibt und was aussortiert wird. Wir brauchen also Verhandlungsmasse. Inspizieren wir die Chaoshölle also im Vorfeld allein und machen die schlimmsten Ecken und Schubladen aus und wägen sie gegen nicht so schlimme Ansammlungen ab: was muss unbedingt weg, mit was können wir leben? Wenn es ans Aufräumen geht, können wir dann gut auf der Entfernung der wüstesten Ecken und Kisten bestehen und uns bei den kleineren Übeln großzügig geben.
Wir müssen uns allerdings im Klaren sein: wir werden das Chaos nie beherrschen, es niemals befehligen und nie beseitigen. Es ist unser Schicksal, mit den Meistern des Chaos und ihren Werken so gut unter einem Dach zu leben, bis sie weiterziehen und ihr Chaos mit sich nehmen. Bis dahin: Pokerface, Leute!