Wir leben in Berlin, 650km weit weg von der Familie im Rheinland. Dieses Jahr feiern wir Weihnachten nur zu fünft, zu Hause in Berlin. Und ich bin unendlich froh darüber.
Ich liebe meine Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen und auch meine Schwiegerfamilie, keine Frage. Und wir sehen zu, dass wir uns im Laufe des Jahres regelmäßig gegenseitig besuchen und Zeit miteinander verbringen. Aber dass wir dieses Jahr Weihnachten ganz für uns sind, finde ich wunderbar.
Meine große Tochter ist das erste Enkelkind in der Familie gewesen. Kurz nach ihrer Geburt zogen wir weg. Und natürlich sind wir zu jedem Feiertag, jedem Geburtstag und selbstverständlich zu Weihnachten nach Hause gefahren. Wir haben hier immer eine Art Schnelldurchlauf der Feiertage durchgezogen und sind dann von einem zum anderen getingelt. Nicht, dass das nicht auch schön gewesen wäre, aber bei Kind Nr. Zwei wurde es mühsam und als es drei Kinder waren, waren wir eigentlich vor allem gestresst, wenn die Feiertage endlich da waren.
Es ging irgendwann nicht mehr darum, die gemeinsame Zeit in Ruhe zu genießen, überhaupt konnte von Ruhe keine Rede sein. Stattdessen absolvierten wir Termine bei den verschiedenen Großeltern und Urgroßeltern, den Paten und Freunden, unseren Geschwistern und ihren Familien und fanden dabei selbst als Familie gar nicht mehr statt. Die Kinder waren ständig übersteuert und aufgekratzt, wurden mit Geschenken überschüttet und mit Essen vollgestopft und wir düsten von einem zum anderen, ohne je wirklich irgendwo anzukommen.
Vor zwei Jahren nach Weihnachten, als wir alle nach dem weihnachtlichen Parforceritt krank und erschöpft wieder in Berlin ankamen, wurde mir klar, dass das aufhören muss. Nicht nur hatte niemand etwas von dieser Art, Weihnachten zu feiern – wir am allerwenigsten, nein, plötzlich schien es mir, als liefe unsere Zeit als Familie immer schneller ab. Ich sah die Kinder im Zeitraffer groß werden und ausziehen und realisierte, dass wir als Familie zu fünft niemals ein eigenes Weihnachtsfest in Ruhe gefeiert hatten. Ich zog die Notbremse. Das war’s, sagte ich zu Mann und Kindern und später auch zum Rest der geliebten Großfamilie. Das war’s, wir machen das nicht mehr.
Meine Kinder sind jetzt sieben, neun und dreizehn Jahre alt, das bedeutet, die Jahre, die wir noch haben, um ein eigenes Weihnachtsfest zu erleben, bevor die Kinder groß sind, der Zauber verfliegt und sie ihre eigenen Wege gehen, sind gezählt. Höchste Zeit also, unser Weihnachtsfest zu entschleunigen und uns auf unsere Kernfamilie zu besinnen.
Deshalb wird hier seit letztem Jahr Weihnachten entkoppelt von den großen Familienzusammenkünften und im kleinen Rahmen genossen. Wir haben Anfang Dezember ein Familientreffen mit Festessen veranstaltet, wo wir uns alle gesehen haben, damit ist die Weihnachtssehnsucht nach der Großfamilie gestillt. Und statt der Hetze zum Flughafen am Ersten Feiertag, wird hier jetzt ausgeschlafen, im Schlafanzug ausführlich gefrühstückt, spazieren gegangen und gemütlich gekocht. Wir spielen mit den Kindern ihre neuen Spiele, blättern in den neuen Büchern und gehen vielleicht zusammen ins Theater oder Kino.
Weniger ist eben manchmal mehr, vor allem, wenn die eigenen Bedürfnisse sonst auf der Strecke bleiben. Deshalb ist hier Weihnachten ohne die Großfamilie plötzlich mehr Familie für uns fünf. Und wir genießen das sehr. Frohe Weihnachten allerseits!