Vor zwei Wochen bin ich morgens ins Zimmer meiner jüngsten Tochter gegangen, um sie zu wecken. Es war 6:30, die Vorhänge waren noch zu und im Zimmer war es dementsprechend noch nicht so richtig hell, also tastete ich mich vorsichtig vor… aber ich war kaum einen Meter ins Zimmer vorgedrungen, da bohrte sich ein kleines Plastikteil in meine nackte Fußsohle und vorbei war es mit einem zarten, vorsichtigen Wecken meiner Kinder. Stattdessen weckte ich sie mit einem lauten Schmerzensschrei und einem entsprechenden Fluch.
Die Ursache allen Übels war die Hand einer Barbie. Eine Meerjungfrauenbarbie, die mitten im Zimmer lag, umgeben von diversem Zubehör, Barbiemännern, Verkleidekleidern, Playmobilfiguren, CD-Hüllen und einer ausgeschütteten Kosmetiktasche mit unzähligen Haarspängchen. Und dann verwandelte sich mein Schmerzensfluch sehr schnell in eine Schimpftirade darüber, dass in diesem Zimmer ja niemals jemand aufräumt, dass ich mit einem Müllsack kommen und alle Spielsachen einsammeln würde und dass kein Mensch, wirklich n i e m a n d, so viel Zeugs braucht. Mein Töchterlein wehrte sich natürlich gegen meine Beschuldigungen, hatte diverse Pseudobegründungen, warum all diese Sachen da lagen und fing hektisch an, alles unsortiert in Kisten zu werfen.
Tatsächlich hat diese Begebenheit mich aber zum Nachdenken gebracht. Natürlich brauchen meine Kinder nicht all diese Dinge. Und natürlich wollen sie sie dennoch. Wie kriegt man eigentlich den Spagat hin zwischen den Dingen, die wir wirklich brauchen (z.B. Bücher), denen, an denen wir hängen (im Fall meiner Tochter zum Beispiel ihre geliebten Puppen) und all den vielen, die uns eigentlich nichts bedeuten (der 170. Barbieschuh)?
Wir haben deshalb ein Experiment gestartet und als erstes mal sortiert und zwar genau nach diesen Kriterien: auf einen Stapel kamen Dinge, die wir brauchen. Da landeten dann Bücher, Stifte und Malpapier, Bastelutensilien und Dinge des täglichen Lebens. Auf den zweiten Stapel kamen Sachen, die wir lieben und an denen wir hängen: da landeten geliebte Puppen und Kuscheltiere, Playmobil und Lego-Teile, die mehr oder weniger täglich bespielt werden, sowie wichtige, zum Teil selbst genähte Verkleidungsutensilien und geerbte Kasperpepuppen. Der dritte Stapel war der größte. Dort sammelten sich Unmengen von Kleinteilen aus Überraschungseiern und von Kinderzeitschriften, Barbie- und Puppenkleidung, eine Ursuppe aus einzelnen Legosteinchen und Playmobilteilen, Stiftstummel, unbespielte Puzzles und Bausteine, übrig gebliebene Spielsachen aus früheren Kindheitstagen undsoweiter. Eine unendliche Flut an Dingen, die tatsächlich nicht benötigt werden.
Dann haben wir alles vom dritten Stapel in eine Kiste gepackt. Auf Zeit. Denn natürlich habe ich meinem Kind nicht all sein Spielzeug dauerhaft entzogen und natürlich habe ich erst recht nicht alles in einen Müllsack gesteckt und weggeschmissen – obwohl ich stark in Versuchung war. Wir haben eine spielzeugreduzierte Woche gemacht und uns dabei immer wieder gefragt, was jetzt tatsächlich vermisst wird. Für mich hat das auch bedeutet, dass mein Kind mich mehr gefordert hat: wir haben Karten- und Brettspiele aus dem Familienfundus gespielt und die Kasperlepuppen hatten plötzlich mehrere Auftritte in der Woche. Die alte Schultafel im Flur wurde wieder mit Kreide bemalt und die Puppen wurden als Schulkinder davor platziert. Sie hat mehr gebastelt, mehr gelesen und wollte mehr vorgelesen bekommen.
Wir waren uns einig, dass wir viele von den Spielsachen vermissen. Leider war Barbie und ihr Gefolge dabei. Und wir haben sehr vieles nach der Woche wieder eingeräumt in die Regale. Aber wir haben dennoch radikal ausgemistet und uns von vielem getrennt. Die Barbiehand, die meinen Fuß aufgebohrt hatte, haben wir nicht entsorgt, aber viele viele Kleinteile und auch einige aus Altersgründen überholte Spielsysteme wie Lego Duplo wurden komplett aussortiert. Für uns war die Aktion ein Erfolg und ich plane eine Wiederholungen – in den anderen beiden Kinderzimmern.